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Die offene Begegnungsstätte auf der Karl-Liebknecht-Straße soll trotz reger Nutzung geschlossen werden. Nein, die Stadt Chemnitz hat nicht darüber entschieden, aber der Freistaat Sachsen fördert das integrative Projekt in diesem Jahr nicht mehr. Seit Dezember 2020 sind die Gelder komplett eingestellt worden. Dieser Aufruf soll an die Bedeutung des Hauses erinnern.
Das bedeutet: Auch nach den Einschränkungen durch die Coronapandemie können wir uns voerst nicht mehr treffen. Unser Sprachencafè wurde seit zwei Jahren aus dem „Aktionsplan für Demokratie, Toleranz und ein weltoffenes Chemnitz“ gefördert. Ohne die Möglichkeit die Räume der AGIUA e.V. weiter nutzen zu können, ist auch diese Förderung für uns nicht gegeben. Wir, die Initiatoren des Sprachencafés, sind darüber entsetzt und traurig!
Was ist überhaupt das Haus der Kulturen?
Für uns, Kerstin und mich, war das Haus der Kulturen zunächst ein Rettungsanker. Wofür? Wir konnten damals mit unserem Deutsch- und Betreuungsangebot für Frauen und ihre Kinder nicht mehr im Netzwerk für Integration bleiben. Uns wurde gesagt, dass der Raum für andere Zwecke genutzt werden würde. Das war im Sommer 2016 und keine gute Nachricht für unsere ehrenamtliche Arbeit.
So fanden wir zunächst die Neue Arbeit in Chemnitz in der Hainstraße und kurz danach das Haus der Kulturen. Zuerst konnten wir unsere Treffen in der Jägerstraße organisieren, später zogen wir in die Karl-Liebknecht-Straße um. Hier konnten wir unser Sprachencafé endlich etablieren.
Erinnerung an bessere Zeiten: der gut besuchte Tisch des Sprachencafès zu Beginn des letzten Jahres. Foto: Mehmet Arıcı
Das Sprachencafé diente nicht einfach als gemütlicher Treffpunkt, sondern es holte Menschen aktiv aus der Einsamkeit und des Fremdfühlens heraus! Unter dem Dach von AGIUA e.V. war es unser Anliegen, zugewanderte Menschen aus anderen Ländern und Kulturen mit Menschen, die schon länger in Chemnitz wohnen, bekannt zu machen.
Das Haus der Kulturen ist zu einem festen Bestandteil der kulturellen Landschaft in Chemnitz geworden. Es gibt uns allen die Möglichkeit und den Ort, um sich in einer angenehmen und geschützten Atmosphäre zu treffen, sich auszutauschen, sich kennenzulernen, sich zu informieren, sich geborgen zu fühlen, Freundschaften aufzubauen und zu pflegen.
Es ist der Ort, an dem unsere Freundinnen und Freunde die deutsche Sprache vertiefen und anwenden können. Die Gelegenheit dazu fehlt oft, weil Kontakte im Alltag mit Chemnitzern noch sehr rar sind und noch zu selten zustande kommen. Es gelang uns, BürgerInnen aus Chemnitz zur Mitarbeit zu gewinnen, was für das Üben der Sprache auch von Bedeutung ist. So bekamen wir Unterstützung von Michael, Detlef, Elke, Vanessa und Barbara.
Unsere Besucher kamen nicht nur zum Sprachencafé, sondern konnten auch die unterschiedlichen Angebote im Haus der Kulturen wahrnehmen: den Nähkurs für Frauen, die Sprachkurse in Deutsch, Englisch und Arabisch, den Zirkus für Kinder, den Theaterkurs, gemeinsames Kochen, das Nutzen des Spielzimmers oder des Billardtisches.
MitarbeiterInnen und Ehrenamtliche setzen sich für den Erhalt vom Haus der Kulturen ein.
Foto: Haus der Kulturen
Wir lernten Ali, Suad und Nosheen, die festangestellten MitarbeiterInnen von AGUIA e.V., kennen. Alle hatten als Ergebnis einer erfolgreichen Integration hier ihren Arbeitsplatz gefunden. Alle haben mit großartigem Einsatz, mit viel Engagement und Empathie dafür gesorgt, dass wir uns gemeinsam wohl fühlten. Seit dem 1. Januar 2021 haben alle drei ihren Arbeitsplatz verloren.
Wenn die unterschiedlichen Projekte nicht mehr existieren können, führt das zu einem herben Rückschlag im gesellschaftlichen Leben unserer Stadt. Wir möchten mit dem Sprachencafé einen Beitrag zur Integration und zur Verständigung in Chemnitz leisten, das ist auch im Sinne der Vorbereitungen zur Kulturhauptstadt Europas 2025.
Ist uns das Wichtig?
Der Vorstand des Vereins von AGIUA hat Widerspruch bei der SAB in Dresden gegen die Beendigung der Förderung eingelegt. Wir haben die Stadt Chemnitz um Hilfe gebeten. Der Oberbürgermeister, Herr Sven Schulze, hat unser Anliegen aufgenommen und in einem Schreiben an das Sozialministerium Sachsens bekräftigt. Auch der Vermieter des Objektes, die GGG, hat Entgegenkommen signalisiert. Es gibt also noch kleine Zeichen der Hoffnung!
Unser Brief an den Ministerpräsidenten von Sachsen, Herrn Michael Kretschmer, ist leider unbeantwortet geblieben.
Zurzeit führen wir das Café online weiter.
Bitte, liebe Verantwortliche und Engagierte lasst uns nicht allein, unterstützt die Fortführung vom Haus der Kulturen
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Weiter folgt nun ein Bericht von Suad, einer Mitarbeiterin im Haus der Kulturen, die seit drei Jahren dort tätig war:
“Durch meine Arbeit im Haus habe ich nicht nur soziale Kompetenzen, sondern auch sprachliche Sicherheit in der Anwendung der deutschen Sprache, erworben. Dieses Wissen konnte ich an viele weitergeben, die neu in Chemnitz sind. Insbesondere Frauen, konnte ich dadurch helfen, sich in Deutschland zurecht zu finden. Wenn das Haus der Kulturen schließt, verlieren diese Frauen diesen geschützten Raum und den Kontakt zu anderen Menschen, die sich hier getroffen haben.
Das Haus der Kulturen hat sich insgesamt zu einem wichtigen Treffpunkt für die Integration von geflüchteten Menschen in Chemnitz entwickelt. Die Kontakte hier haben gegen die soziale Isolation gewirkt. Besonders wichtig für die Menschen ist es, außerhalb von den Schulen, die Sprache zu erlernen. Seit vier Jahren haben wir somit aus- und inländische Menschen zusammengebracht.
Freizeitangebote, Sprachkurse, Hausaufgabenhilfe und vieles mehr wurde im Haus der Kulturen mehrsprachig angeboten. Foto: Haus der Kulturen
Drei Festangestellte und viele Ehrenamtliche halfen, damit der Betrieb im Haus der Kulturen aufrecht erhalten werden konnte. Wir alle brauchen diesen Ort der Begegnung. Vor dem Hintergrund, dass in den letzten Jahren tausende MigrantInnen nach Chemnitz kamen, hat das Haus der Kulturen immer mehr an Bedeutung und Zulauf gewonnen. Neben Sprachkursen, gab es auch zahlreiche Freizeitaktivitäten und Möglichkeiten mit lokalen KünstlerInnen zu arbeiten.
Menschen mit Migrationshintergrund wurde hier die Möglichkeit geboten, Freiräume für die eigene Entwicklung zu organisieren und die Flächen für selbstbestimmte Projekte zu nutzen. Somit konnte die Begegnungsstätte zur Verbesserung zwischenmenschlichen Beziehungen beitragen und Fähigkeiten von Geflüchteten fördern. Natürlich werden auch Einheimische hier immer herzlich willkommen sein. Diese internationale Begegnungsstätte solle eine Quelle sozialen und gesellschaftlichen Engagements sein, weit über die Grenzen des Hauses hinaus.”
URL: https://web.archive.org/web/20211201065926/https://www.horizontmagazin.de/2021/02/six-years-and-a-vision/?lang=en
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