Wandel der Erinnerungen – Horizont

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Foto: Federico Fiovaranti

Das Leben ist wie ein Buch, bei dem das Umblättern der Seiten bittere und süße Erinnerungen wachruft. Es gibt keinen Zweifel daran, dass das Leben eine komplexe Angelegenheit ist. Vom Anfang bis zum Ende dieser gefährlichen Reise entsteht eine Vielfalt von Geschichten. Der menschliche Geist strebt stetig an besser zu sein und besser zu leben. Das Szenario des Lebens eines jeden Menschen ist exklusiv und nur ihm gewidmet. So als ob Zeile für Zeile bereits niedergeschrieben wäre, dass er sich selbst im Spiel des Lebens mal glücklich – mal traurig, aber immer autonom in seinen Handlungen und Verhaltensweisen wahrnimmt.

Die Philosophie des Lebens und der Welt, die uns umgibt, ist komplexer als unsere Vorstellungen und Fantasien über das Universum. Immer wenn ich an meine Vergangenheit, meine Gegenwart, den Weg vor mir und an tausende bunte Erinnerungen im Labyrinth des Lebens denke, stelle ich mehr und mehr fest, dass alles auf dieser Welt seinen Umgebungsbedingungen unterliegt. Wie die Jahreszeiten, die ihre Farbe im Wandel der Zeit ändern oder ähnlich wie Kulturen und Traditionen, die abhängig von Raum und Zeit entstehen, ergibt alles in dieser Welt in seinen gegenwärtigen Umständen Sinn.

Über diese Geschichte hinaus, sucht der perfektionistische menschliche Geist nach einer besseren Welt. Möglicherweise, um ihre Gegenwart und Zukunft zu verbessern. Natürlich sollte nicht vergessen werden, dass das Konzept des besseren Seins und des besseren Lebens für jede Person eine andere Bedeutung hat. Beispielsweise kann für eine Person der Besitz von Geld und Lebenskomfort ein besseres Leben bedeuten. Der Besitz von Geld und Wohlstand kann für jede/n ein verlockendes Thema sein. Ein luxuriöses Haus an einem schönen Ort und ein entsprechendes Auto können den Lebenskomfort vervielfachen. Vielleicht erfüllt all das aus der Perspektive der einen Person nur das Minimum an Lebensanforderungen, während es für eine andere Person ein unmöglicher Traum ist.

Andererseits kann die Vorstellung von einem besseren Leben in Frieden und Sicherheit nur Sinn ergeben. Ein Ort, an dem man sein tägliches Leben fernab von Streitigkeiten und Konflikten erreichen kann. Wo man sich nicht länger um die Zerstörung des eigenen Zuhauses durch Krieg sorgen muss und das Geräusch von Kugeln und Raketen nicht die schreckliche Musik aller Momente bildet. Wo man nicht länger auf die Tür starrt und sich nicht um die Rückkehr der Lieben ängstigen muss.

Eine Situation, die heute in einigen Ländern aufgrund der Idiotie und Gier von PolitikerInnen vorherrscht und zur Heimatlosigkeit von Millionen von Menschen geführt hat.

Foto: Hasan Almasi

Die Geschichte von heute ist bestimmt von Ländern wie Syrien und Afghanistan, in denen Leben retten die wahre Bedeutung des Lebens ist. Während gleichzeitig jemand anderes in der Welt traurig über die Streichung seines Sommerurlaubs ist. Es ist wirklich eine seltsame Welt, denn es gibt eine große Kluft zwischen den Welten der Menschen. Eine unvorstellbare Distanz für viele, die den Krieg nur auf ihrem Fernsehbildschirm gesehen haben.

Meiner Meinung nach wird die Bitterkeit des Lebens in der grenzenlosen Ungleichheit und Ungerechtigkeit unserer instabilen Welt zusammengefasst. Eine Welt, die Zeuge der Geburt von zwei Babys wird, von denen eines nur eine Stunde nach der Geburt, noch ohne den Duft der warmen Umarmung der Mutter zu kennen, unter den Trümmern des Bombenangriffs stirbt, während das andere in einer verzierten Wiege und einem luxuriösen Haus unter der Obhut der Familie heranwächst. Es genießt weit weg von allen Sorgen seines Lebens. Die Maßstäbe der Gerechtigkeit waren nie gleich.

Die, die Stille und Dunkelheit der Gedanken nicht tolerieren, haben keine andere Wahl als zu emigrieren

Der Verlust von Meinungsfreiheit ist ein weiterer Grund das Heimatland zu verlassen. Denn die Stimme der Wahrheit ist für manche nicht melodisch. Für jene, für die die Gier kein Ende nimmt. Menschen, die ihre Welt auf den Schultern tausender Menschen erbauten, die sich aufgrund der Schwere dieser Last beugten. Die Wahrheit zu sagen, ist der Skandal des Schurken dieser Zeit, der es nicht ertragen kann, sie zu hören. Die Wahrheit zu sagen bedeutet, nach der Dunkelheit der Unwissenheit und des Aberglaubens, Mut auszudrücken, der manchmal in der Kehle erstickt, bevor er ausgesprochen und nie gehört wird.

In einer Gesellschaft, in der es Tod und Erstickung von Gedanken gibt, gibt es keine Hoffnung für ihre Zukunft und sie nähert sich jeden Tag dem Abgrund ihrer Vernichtung. Die, die die Stille und Dunkelheit der Gedanken nicht tolerieren, haben keine andere Wahl als zu emigrieren und sich auf den Weg zu begeben, dahin wo ihre Stimme gehört und ihre Gedanken verstanden werden. Im Austausch für diese Freiheit, sind sie gezwungen ihre Wurzeln, ihr Heimatland und die geliebten Menschen, die in ihnen ihre eigene Identität geschaffen haben, zu verlassen. Dies ist ein schwerwiegender Ausgleich, damit sie ihre Gedanken und Ideen frei ausdrücken können.

Doch auch dieser Weg ist nicht einfach, denn die wohlhabende, moderne Welt akzeptiert keine Immigranten und Geflüchteten, was ein gutes Beispiel für die Ungleichheit in dieser Welt ist. Millionen von Menschen auf dieser Welt migrieren für ein besseres Leben, wobei sie von dem Moment der Entscheidung, bis sie stabile Lebensumstände erreichen, mit all ihrem Sein, hunderte, vielleicht tausende Nöte und Schwierigkeiten erleben müssen. Denn Immigration ist eine der größten menschlichen Entscheidungen, die sich manchmal unabsichtlich aufdrängen muss.

Foto: Austin Chan

Vom Anfang bis zum Ende dieser Reise kann es mehrere Jahre dauern, bis ein Jahrzehnt des menschlichen Lebens damit verbracht wird, das Leben wiederaufzubauen. In gewisser Weise bedeutet Migration eine neue Richtung. Ein Neubeginn in einer neuen Welt, in der die Muttersprache keinen Sinn mehr macht. Nur weil meine Heimatstadt eine andere als deine ist, bin ich dazu verdammt zu leiden.

Jeden Augenblick und jedes Mal siehst du das Gefühl der Dualität in dir selbst und musst akzeptieren, dass du zwar frei bist, aber der Nachbar dich als Ausländer sieht. Es gibt zwar kein Schloss vor deinem Wort, aber der Geist des Lebens ist darin nicht mehr zu spüren. Es ist, als ob der Schatten der Trauer dich nicht mehr verlässt und deine Freuden stets, wie ein Zaun, begrenzt. Dann gibt es die Tränen der Traurigkeit, eine schwere schwarze Wolke, die fällt und fällt und wieder fällt, bis du dich wieder abwendest, um dich zu fragen, warum du in einer freien und sicheren Welt nicht wieder glücklich sein kannst. An dieser Stelle findet man sich hilflos, denkt an das bittere Schicksal der Zeit und ergibt sich dem Schicksal.

Das ist die Welt eines Immigranten. Bevor du mich einen Ausländer nanntest, habe ich die Bitterkeit des Schicksals begriffen. Es ist nicht der kalte Blick des Nachbarn, der mich stört, sondern der fremde Blick in mir, hinter dem Spiegel, der mich aus den Tiefen meines Seins bricht.

Denn ich bin ein Immigrant.

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