Wie sieht Arbeit ohne Freiheit aus? – Horizont

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In Eritrea als Journalistin zu arbeiten ist extrem schwer. Die Zensur ist hart und es lassen sich kaum verlässliche Quellen finden. So wird die Berichterstattung stark eingeschränkt. Ich möchte Ihnen heute meinen damaligen Beruf beschreiben, der mir und meiner Familie große Schwierigkeiten machen sollte.

Mein Name ist Sara Fishaye, ich bin in Eritrea geboren und habe dort als Journalistin gearbeitet. Es ist kein Geheimnis, dass in Eritrea in vielen Bereichen große Probleme bestehen. Unser größtes Problem ist die fehlende Freiheit und damit verbunden: die fehlende Pressefreiheit. So sind alle Medien verpflichtet, nur positive Nachrichten aus dem Land zu senden, egal in welchem Bereich sie tätig sind. Das bedeutet wir werden zum Lügen gezwungen. Wir informieren die Leute falsch und viele Leute glauben dann dieser staatlichen Propaganda.

Wer
mit seinem eigenen Kopf schreibt und kritisiert, bekommt eine Mahnung
der Politiker, womit
einem das Schreiben und Informieren
verboten wird. Soweit
kommt es jedoch selten, denn alle Texte oder Videos werden vorher vom
Informationsministerium und deren Zensur überprüft. Entsteht ein
Nachteil für einen Politiker oder ist eine Kritik am Kurs der
Regierung enthalten, wird die Veröffentlichung verboten und es
drohen Gefängnisstrafen.
So schreibt die Presse immer im Sinne der Regierung und Fehler der
Politik werden nie erwähnt.

Forderungen nach der Freilassung inhaftierter Journalisten und Reporter aus Eritrea.

Viele
meiner KollegInnen sind deshalb aktuell in Haft, die anderen haben
sich aus Angst angepasst. Meine
KollegInnen und
ich haben unsere Bevölkerung
jahrelang belogen,
aber das war gegen unser Denken und unser Empfinden von richtigem
Journalismus. Am Ende habe ich mich gefragt: „Warum bin ich auf
dieser Welt? Was ist eigentlich meine Aufgabe, wenn ich nicht die
Wahrheit ausspreche?“ Seitdem habe ich mir selbst gegenüber
versprochen, dass ich den Leuten alle Informationen geben muss, egal
was die Konsequenzen sein werden. Das damit verbundene Risiko
war mir bewusst.

Einige
Monate später wurde ich verhaftet. Ich blieb für zwei Monate im
Gefängnis. Mir wurde mehrmals gedroht, dass ich nicht wieder
kritisch berichten soll. Dann wurde ich von der Hauptstadt Asmara in
eine Kleinstadt versetzt, wo nichts passierte und ich keinen Einblick
mehr in das politische Tagesgeschehen hatte. Dort sollte ich wieder
auf Regierungskurs gebracht werden,
um erneut positive Propaganda zu produzieren. Ich hatte keine Lust
mehr auf diesen Beruf. Aber ich hatte Angst was meinem Sohn und dem
Rest meiner Familie in Asmara passieren würde, von denen ich
getrennt worden war. Mein Sohn lebte mit meinen Eltern zusammen und
ich vermisste alle sehr. Es war eine schwierige Zeit für mich. Ich
konnte – für ihren Schutz – nicht weiter rebellieren.

Also
beschloss ich aus dem Land zu flüchten. Es war eine schwere und
harte Entscheidung, die
ich lange angezweifelt habe.
Ich wusste, dass mein Ehemann und meine Eltern daraufhin
von der Polizei über mich befragt würden.
Da sie
aber nicht wussten, wo
ich mich aufhielt, dachte ich sie würden sie in Ruhe lassen.
Tatsächlich wurden mein Vater und mein Ehemann inhaftiert. Mein
Vater musste für sechs Monate und mein Mann für zwei Jahre ins
Gefängnis. Nur wegen mir.

Ich
weiß, dass meine Geschichte sehr tragisch ist, aber sie
stellt die Realität
in Eritrea dar.
Wer öffentlich
gegen die Diktatur spricht, wird inhaftiert.
Wenn diese Person
nicht zu finden ist, dann wird die Familie in Sippenhaft genommen.
Nach einem langen Kampf lebe ich heute mit meinem Mann und unseren
Kindern in Deutschland. Wir leben hier mit mehr Freiheiten und vor
allem einer freien Presse. Von ganzem Herzen bin ich sehr dankbar
dafür.

Sara Fishaye hat trotz großer Risiken am Berufsethos des Journalismus festgehalten.

URL: https://web.archive.org/web/20211201060054/https://www.horizontmagazin.de/2020/04/working-as-a-journalist-in-eritrean-dictatorship/?lang=en


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